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Ich möchte nicht sehen, wie dein Kind auf dem Töpfchen sitzt! – Kinderfotos im Netz

Instagram, Facebook, Youtube. Egal wo ich hinklicke, überall sehe ich sie: Die Kinderfotos oder auch Videos, die von stolzen Eltern, Tanten und Onkels, Omas und Opas oder auch „nur“ Freunden gepostet werden. Und ich erwische mich selbst dabei, wie ich durch die Bilder scrolle und alles süß finde, was ich sehe oder aber die Babyvideos bei Facebook sehe und sie mir einfach anschauen muss, weil sie so unendlich niedlich sind. Doch früher oder später komme ich immer, und damit meine ich immer, an den Punkt, wo ich denke, dass eins dieser Bilder to much war. Ihr wisst, was ich meine. Das nackige Mädchen mit den Schwimmflügeln, der Junge, der auf dem Töpfchen sitzt und ich könnte noch viel mehr aufzählen.
Genau darum geht es in der Blogparade „Kinderfotos im Netz“, die von schau-hin.info gestartet wurde.
Ich weiß, dass Eltern unglaublich stolz und glücklich und hoch zufrieden mit ihrem Kind sind, egal wie alt es auch sein mag und das könnt ihr mir glauben, denn ich sehe es jeden Tag. Wenn die Eltern ihre Kinder morgens in die Kita bringen und mit Tränen in den Augen erzählen, dass das Kind nun aufs Töpfchen geht oder zum ersten Mal „Mama“ gesagt hat, dann quillt einem das Herz über. Nicht nur, weil die Kinder diesen Meilenstein geschafft haben, sondern auch, weil die Eltern so stolz sind und es am liebsten jedem erzählen möchten. So geht es uns allen. Auch im Beruf. Wenn ein Kind mein Namen zum ersten Mal ausspricht, dann schaue ich meine Kollegin mit großen Augen an und frage sie, ob sie das auch gehört hat. Wir dokumentieren jedes Wort, in dem wir es mit Datum aufschreiben, wir dokumentieren jeden Schritt, in dem wir Fotos mit der Gruppen-Kamera schießen, um es dann später in die Portfolios einzukleben, damit die Eltern auch etwas davon haben. Gerade bei den Kleinen passiert so viel, so schnell hintereinander, dass die Eltern manches davon gar nichts mitbekommen.
Ihr seht, auch mich und ich glaube ich kann im Namen von jedem sprechen, der mit Menschen arbeitet, macht es unglaublich stolz, wenn eine Person Fortschritte macht und man dann vielleicht auch noch weiß, dass man einen kleinen Anteil daran trägt.

Ich glaube, dass jedes Kind ein Recht auf sein eigenes Bild hat

Datenschutz ist das schöne Stichwort. Jeder Mensch in diesem Land hat ein Recht auf sein eigenes Bild. Tatsächlich gehört es sogar zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Kunsturhebergesetz, welches besagt, dass man die Abbildung eines Menschen nur dann verbreiten oder zur Schau stellen darf, wenn die Einwilligung der abgebildeten Person vorliegt  (vgl. §§22 & 23 KunstUrhG).
Aber: Bei Kinder bis zu sieben Jahren entscheiden einzig und alleine die Erziehungsberechtigten darüber, welche Bilder ihrer Kinder ins Netz, in die Zeitung oder wo auch immer erscheinen. Die Kleinen haben keine Entscheidungsfähigkeit. Erst zwischen sieben und 17 Jahren haben sie ein Mitbestimmungsrecht. Ab diesem Alter müssen sowohl die Kinder als auch die zuständigen Erwachsenen gefragt werden, ob die Bilder vervielfacht werden dürfen.
Auch im Strafgesetzbuch wird festgehalten, ab wann es durch Bildaufnahmen zu einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches kommt, wie z.B. Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, die dem Ansehen der Person erheblich schaden könnten, oder Nacktbilder von Minderjährigen macht, kauft oder verkauft (vgl. §201a StGB). Übrigens gilt das ganze auch bei Videos, denn dies sind auch nicht mehr als bewegte Bilder und gehören deshalb auch zu den oben genannten Paragraphen!
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Rheinlaender / pixelio.de

„Der kleine Bruder soll ihm nicht beim kacken zuschauen!“

Ich folge nur einem Familienblog, habe aber auch Freunde und Bekannte, die schon eigene Kinder bekommen haben und als ich vor ein paar Tagen das Bild des Sohnes auf dem Töpfchen sah, da wusste ich, dass ich zu dieser Blogparade etwas schreiben muss.
Kommen wir noch mal zu dem Thema ‚Dokumentation an meinem Arbeitsplatz‘ zurück. Wie ich oben schon erwähnt habe, fotografieren wir alles, damit wir ein schönes Portfolio erstellen können. Den ersten Tag in der Kita, das erste Mal Mittagessen, die ersten Schritte in der Kita, die Geburtstage, das erste Mal in den Schnee rausgehen, der erste Spaziergang und ich könnte ewig so weiter machen, aber ich glaube, ihr versteht was ich meine. Was wir allerdings nicht machen dürfen, ist das Kind zu fotografieren, während es bei uns das erste Mal auf die Toilette geht. Warum? Es greift zu sehr in die Privatsphäre des Kindes ein. Dabei sehen diese Bilder „nur“ wir und die Eltern des Kindes, wenn sie diesen Ordner durchschauen. Es landet nicht irgendwo im Internet, wo es vervielfältigt werden kann und trotzdem ist es uns verboten. Vielleicht denken sich jetzt einige, dass es doch mit dem „stark“ geschützten Instagram-Account oder den perfekten Privatsphäre Einstellungen bei Facebook und Co. gut geschützt ist und nur die Familie und die Freunde das Bild sehen können, aber da irrt ihr euch. Sobald das Bild einmal im Netz ist, kann es nicht mehr gelöscht werden. Vielleicht kommentiert ein guter Freund dieses Bild und bei eine anderen wird es deshalb in der Timeline angezeigt. Vielleicht wird euer Account gehackt (was immer mal wieder passiert) und eure Daten werden gestohlen. Vielleicht ist euer Profil aber auch einfach doch nicht so gut geschützt und ehe ihr euch verseht wird das Bild eures nackten Kindes in der Weltgeschichte verteilt, durchs liken, kommentieren, teilen, retweeten, usw. Da habt ihr nichts mehr unter Kontrolle und ihr wisst auch nie, wer sich dieses Bild anschaut.

Überlegt doch mal, was ihr euren Kindern damit antut!

Ich bin ehrlich. Hätte meine Mutter Bilder von mir ins Internet gestellt, auf denen ich nackig durch das Planschbecken hüpfe oder das erste Mal auf dem Töpfchen sitze, ich wäre ziemlich sauer auf sie. Ich weiß, dass sie auf diese ganzen ersten Momente unglaublich stolz gewesen sein muss, aber mir wäre es unendlich peinlich, wenn ich diese Bilder irgendwo im Internet finden würde. Ganz davon ab, dass ich wahrscheinlich während der Schulzeit eine große Lachnummer gewesen wäre, da ja nicht nur ich sie hätte finden können, sondern auch andere.
Versetzt euch nun bitte in die Lage des Kindes. Jetzt findet es das Bild vielleicht noch lustig, aber seid euch immer bewusst, dass dieses kleine Kind noch nicht die Folgen und das ganze Ausmaß begreifen kann. Würdet ihr wollen, dass eure Eltern von euch Bilder ins Internet stellen, wie ihr auf der Toilette sitzt oder bei den ersten warmen Temperaturen oben ohne im Garten liegt? Nein oder? Warum sollten Kinder es dann toll finden? Und wie werden sie es finden, wenn sie erst einmal älter werden und beispielsweise in die Pubertät kommen? Dann ist es zu spät, die Bilder zu löschen. Dann hat sie schon jeder gesehen.#

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Gibt es vielleicht Kompromisse?

Ich folge einer Mama, die diese ganze Angelegenheit meiner Meinung nach sehr gut löst. Ich weiß, dass sie unglaublich stolz auf ihre Tochter ist und dass sie sie über alles liebt. Trotzdem habe ich noch nie ein Bild gesehen, wo ich auch nur im Entferntesten darüber nachgedacht habe, ob dieses Bild vielleicht auch nur ein wenig peinlich sein könnte. Auf keinem dieser Bilder sieht man das Gesicht des Kindes, nackte Haut (außer vielleicht die Arme oder Knie). Niemand könnte später behaupten, dass gerade dieses Kind auf den Fotos ist.
Das ist tatsächlich noch okay für mich. Da denke ich nicht lange drüber nach, ob es wirklich angebracht ist. Aber fremde Kinder, die auf dem Töpfchen ihr erstes Geschäft erledigen, zum ersten Mal im Stehen in die Wildnis pinkeln oder einfach nur nackig durch den Garten rennen? Das ist etwas ganze privates, etwas intimes, was man vielleicht in der Familie erzählt, oder auch den Freunden, aber es gehört nicht ins Netz.

Quellen: schau-hin.infoRechtambild.dearag.de

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