Brainfood

Das Ankommen in der Gastfamilie – Week 1

Da stand ich nun am dritten April am Flughafen in Seattle/Tacoma mit insgesamt fünf anderen Mädels. Frisch aus dem Flugzeug gestiegen, sahen wir uns um, versuchten herauszufinden, wohin wir denn als nächstes gehen müssten. Und ich behaupte einfach mal, dass niemand von uns sich zu 100% sicher war, ob wir überhaupt in die Richtung gehen wollten, denn wir waren alle sehr nervös. In wenigen Momenten würden wir unsere Gastfamilien kennenlernen. Wir würden uns begrüßen und dann würde unser Jahr starten, denn diese Familie hatten wir uns ausgesucht. Diese Familie hatte uns ausgesucht und wir wollten nun irgendwie zu einer Familie auf eine bestimmte Zeit werden. Wir würden unter dem selben Dach wohnen (oder so ähnlich), am selben Tisch zusammen Dinner essen und gemeinsam die Feiertage verbringen.

Nach kurzer Überlegung liefen wir gemeinsam in Richtung der Gepäckausgabe, da wir immerhin alle (mindestens) noch einen großen Koffer dabei hatten. Jeder in seine eigenen Gedanken versunken, seinem eigenen Herzen lauschend, in der Hoffnung, dass es nicht zu hören sei.

Wir sahen unsere Gepäckausgabe und ungefähr zeitgleich nahmen wir die Menschen wahr, die daneben standen. Alles erwachsene Menschen, manchmal alleine, manchmal zu zweit, alle wartend. Manche unterhielten sich, andere saßen einfach still in der Nähe, beobachteten die Menschen, die an ihnen vorbei zogen. „Ich glaube, ich sehe sie“, sagte Melina zu mir und ich glaube, sie war damit die erste, die ihre Gastfamilie identifizierte. Danach löste sich unsere Gruppe sehr schnell auf. Jeder fand die Menschen, die da waren, um einen von uns abzuholen.
Auch mich erschlich sehr früh das Gefühl von „Das da ist doch mein Hostdad“, aber ich war mir nicht zu 100% sicher. Also lächeln, hoffen, dass ich richtig lag. Aber das tat es. Nach einem kurzen ‚Wie sagen wir uns jetzt Hallo‘ (unsere „Trainerin“ in den Orientations hatte es liebevoll den Tanz genannt), holte ich meinen Koffer und wir machten uns auf den Weg zum Auto. Meine Hostmom war noch auf Geschäftreise und meine Hostoma passte auf meine Gastkinder auf. Nachdem wir das Auto „gefunden“ und meine Koffer verstaut hatten, ging es dann auf direktem Wege in das Haus, was ich zukünftig mein zuhause nennen sollte. Zum Glück wohnen wir nicht so weit vom Flughafen weg (aber nicht in der Flug Schneise!), also dauerte die ganze Fahrt nur 20 Minuten.

Vielleicht sollte ich an diesem Punkt einmal einwerfen, dass ich mein eigenes Apartment habe. Das ist längst nicht der Regelfall für ein Au Pair, aber ich habe das unglaubliche Glück, dass meine Gastfamilie sehr auf meine Privatsphäre achten und wollen, dass ich auch mal Ruhe vor den „crazy babies“ habe.

Als wir ankamen, hatte ich schon ein bisschen begriffen, wie unglaublich schön meine kleine Vorstadt ist, obwohl es wirklich schon sehr sehr dunkel war. Kein Wunder bei 23:30 Uhr richtig? Mein Hostdad half mir die Koffer ins Apartment zu bringen, zeigte mir die wichtigsten Dinge und erklärte mir, wie ich am nächsten Tag ins Haus kommen könne. Dann wünschte er mir eine gute Nacht.
Da stand ich nun. In einem fremden Land, am anderen Ende der Welt, bei fremden Menschen, mitten in der Nacht. Und komischerweise fühlte ich mich sofort zuhause. Es fühlte sich gar nicht so fremd an – jedenfalls auf eine Art und Weise. Vielleicht hätte ich ins Bett gehen sollen, aber ich war zu aufgeregt und zu übermüdet und ich hatte im Flieger vielleicht für eine Stunde geschlafen. Also räumte ich meinen Koffer aus. Alles aus meinem Koffer. Ich machte es mir heimisch auf irgendeine Arte und Weise. Meine Hostmom hatte schon bevor ich angekommen war Bilder von mir und meinen Freunden aufgehängt, also fühlte es sich schon beim Betreten jedenfalls ein bisschen an, wie meins.
Ich lief also durch dieses Apartment, schaute in jeden Schrank, in alles und ich machte natürlich überall Licht an, weil ich so überwältigt war – und dann passierte es. Mit einmal ging das Licht aus und ich konnte gar nichts mehr sehen. Ich hatte anscheinend irgendeine Sicherung rausgenommen – in meiner ersten Nacht. Typisch ich. Zum Glück war es nur die Sicherung für die Deckenlampen und nicht für alles, also konnte ich die kleinen Lampen anmachen und sortierte alles im Halbdunklen ein und mit meiner Handy-Taschenlampe. Irgendwann ging ich dann ins Bett – so gegen 3 am (nachts).
Mein Hostdad hatte zwar gesagt, ich solle ausschlafen, aber ich stellte mir trotzdem ein Wecker auf 9 Uhr in der früh. Ich wollte einfach nicht komisch wirken, so viel wie möglich vom Tag mitbekommen und mich irgendwie einleben. Also stand ich am nächsten Morgen auf.. und stellte erschrocken fest, dass ich keine Ahnung hatte, wie die Kaffeemaschine funktioniert. Also zog ich mich nur an, putzte die Zähne und ging rüber ins Haupthaus, wie mich vier Kleinkindaugen misstrauisch begutachteten, sich fragten, wer ich war und doch ein bisschen neugierig waren. Ich setze mich auf den Boden, wie ich es immer tue, weil mir erstens alles komplett fremd vorkam und zum anderen war ich einfach auf Augenhöhe der Kinder, was sich als gute Idee erwies. Insgesamt brauchte mein Gastmädchen vielleicht eine halbe Stunde, bis sie mich für würdig hielt und anfing auf mir rumzuklettern. Wir legten sie ins Bett und dann zeigte mir mein Hostdad noch ein paar Sachen, bis dann die Oma vorbei kam. Ich habe sie sofort in mein Herz geschlossen, weil sie mich so liebevoll begrüßte und mich in ihre Arme schloss, als hätten wir nie etwas anderes getan. Sie zeigte mir, wo die Essenssachen für die Zwillinge sind und probierte ihre Deutsch-Kenntnisse an mir aus (ihr Mann ist ursprünglich aus Deutschland), was irgendwie total süß war!
Dann kam meine Hostmom nach Hause und ab dann war irgendwie alles „kind of“ normal. SIe begrüßte mich, als wäre ich schon ewig da, fragte mich, wie der Flug war und wie die Orientations waren und zeigte mir das Haus und alles. Außerdem reparierte mein Hostdad die Sicherung in meinem Apartment. Nachdem meine Gastoma und mein Gastdad herausgefunden hatten, dass ich nicht gefrühstückt hatte, lud mich mein Hostdad ins Auto und fuhr mich zu Target. Eigentlich schade, dass er mein Gesicht nicht gefilmt hat, als wir reingingen. Ich war völlig überfordert und als er mich fragte, ob ich mal durchgucken möchte, sagte ich nur ‚Nein‘, da ich Angst hatte, zu viel Geld auszugeben und ich war auch einfach zu müde. Also sind wir nur zu dem Starbucks gegangen, bei dem ich erstmal einen Kaffee und ein Sandwich bestellte. Wieder zurück holten meine Hostmom und ich die Zwillinge aus dem Bett und das fast unmögliche passierte: ich durfte meinen Gastjungen aus dem Bett nehmen – nach nur einem halben Tag. Und das passierte eigentlich so gut wie nie, wie mir meine Gastfamilie später berichtete. Ein total crazy Gefühl irgendwie.
Ehrlicherweise kriege ich nicht mehr alles ganz chronologisch zusammen, aber ich weiß noch, dass ich am ersten Tag irgendwann noch mit meinem Hostdad losgefahren bin und wir haben Pizza geholt. Da gibt es hier so einen crazy Laden, wo die Pizza fertig gemacht wird (wie bei einem Lieferservice), aber du nimmst sie dann mit und packst sie zuhause in den Backofen .. also fühlst du dich jedenfalls so, als hättest du sie halb selbstgemacht. Weil mich der Jetlag leider irgendwann wirklich umgehauen hat, bin ich relativ früh ins Apartment zurück gegangen, wo ich mich aber noch ein bisschen wach gehalten habe. Naja, zumindest habe ich es versucht.

Bellevue ♥


Am nächsten Tag hatte sich meine Hostmom „frei genommen“ bzw. sie hat von zuhause aus gearbeitet (war also mehr im Bereitschaftsdienst und hat gearbeitet, wenn die Babys gerade geschlafen haben). Wir sind zusammen einkaufen gefahren, wobei ich mir alles aussuchen durfte, was ich haben wollte. Tatsächlich habe ich mir so gut wie nichts ausgesucht, weil ich einfach nicht „teuer“ wirken wollte. Wisst ihr was ich meine? Ich wollte nicht so rüberkommen, als würde ich die ganze Hand nehmen wollen, obwohl sie mir nur den kleinen Finger gereicht hat. Euch fallen bestimmt noch genug andere Metaphern ein.

Wir haben in dieser Woche nicht besonders viel gemacht, weil es eigentlich nur geregnet hat und das Wetter wirklich zu wünschen überließ. Allerdings waren wir am Samstag mit den Eltern von meiner Hostmom brunchen und wir waren nochmal gemeinsam einkaufen in einem riesigen riesigen Markt und meine Gastmom hat angefangen, mich auszulachen, als sie meinen Gesichtsausdruck angesichts dieses Ladens, gesehen hat. Auch der Brunch war mega witzig, ich bin von der Kellnerin angesprochen worden, wo ich denn herkommen würde und sie hat mich total ausgequetscht. Außerdem ist mein „Hostopa“ deutscher, was die Sache für mich in manchen Situationen vereinfacht hat, da er mir Worte übersetzt hat, ohne das ich ein Wort sagen musste.

Am Sonntag hatte ich mein erstes Cluster-Meeting, zu dem ich ganz alleine gefahren bin, in meinem neuen Auto. Automatik. Es ist dann tatsächlich doch nicht so schlimm, wie ich erst dachte. Ich war wirklich nervös zu Anfang, aber mittlerweile möchte ich nicht mehr tauschen. Jedenfalls hatte ich mein erstes Cluster Meeting, bei dem ich meine LCC (die Frau, die für mich verantwortlich ist hier, von der Agentur hier) und einen Haufen anderer Au Pairs aus aller Welt kennengelernt. Wir haben gemeinsam gekocht und gegessen (natürlich). Ich habe wirklich liebe Mädels kennen gelernt und meine LCC mag ich auch sehr gerne. Ich bin dann irgendwann wieder zurück gefahren und wir haben dann noch einen Spaziergang gemacht und dabei die Nachbarn getroffen, bei denen ich mich natürlich gleich vorgestellt habe. Ich wohne sehr nah am Trainingsplatz der Seattle Seahawks, weshalb wir dort auch einmal hingegangen sind. Nachdem wir wieder zurück kamen und ich zurück ins Apartment gegangen war, klopfte es an der Tür. Es war die Nachbarin, die sich noch einmal persönlich vorstellen wollte und mir Blumen, Äpfel und eine Karte mit jeder Nummer von ihrer ganzen Familie drauf stand. Darüber habe ich mich riesig gefreut und habe mich tatsächlich noch ein bisschen mehr Willkommen gefühlt!

Ansonsten haben wir uns langsam aneinander gewöhnt und ich habe Freundschaft mit den beiden Hunden geschlossen (ich glaube, das ging am schnellsten) und ich darf sogar die alte Hundedame anfassen, streicheln und auf den Arm nehmen, was ich vor einem Jahr sicherlich noch nicht gedurft hätte, wie es meine Hostmom mir sagte. Tatsächlich durfte das Au Pair vor mir diesen Hund nicht anfassen (also vom Hund aus), dann hat sie angefangen zu knurren. Aber ich kann mit beiden kuscheln und der jüngere Hund ist total vernarrt in mich und denkt sich, dass ich nur für sie da bin.
Mit den Kindern verstand ich mich in dieser Woche schon ziemlich gut, aber ich wusste auch, dass es erst in der nächsten Woche ernst werden würde, weil dann ihr sicherer Hafen, also Mama und Papa, nicht mehr jede Sekunde für sie da sein würden.
Auch mit meiner Gastfamilie verstehe ich mich nach Woche eins gut. Wir müssen uns nun natürlich aufeinander einspielen und schauen, wie alles zusammenpasst, aber ich bin guter Dinge und auch wenn ich wirklich Angst vor meiner ersten Arbeitswoche habe, so ist da trotzdem dieses gute Gefühl, was es mir ein wenig leichter macht!

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert